Ostgroßefehn: Unangekündigte Großübung am Samstagvormittag

Eine unangekündigte Großübung in Ostgroßefehn führte am Samstagvormittag zum Einsatz der Feuerwehren aus Großefehn und um zu.

Übungsort: Trauco Baustoffe Ostgroßefehn,Kirchweg 1(Tullum-Str.) Halle 11-12, Gemeinde Großefehn, LK Aurich, Nidersachsen

Übungsschwerpunkte:

  • Menschenrettung
  • Technische Hilfeleistung
  • Umweltschutz
  • Brandbekämpfung
  • Dekontamination
  • Verletzenablage

Angenommenes Schadensereignis:

Auf dem Betriebsgelände der Firma Trauco/Nowebau im Bereich der Abteilung Rohbau (Halle 11-12) wird ein mit Gefahrgut beladener  LKW einer Spedition entladen der mehrere Paletten Salzsäure31% liefert. Zu diesem Zeitpunkt halten sich sechs Personen in und um der Halle auf.

Weiterhin steht ein PKW mit Insasse hinter dem Spediteur.

Da der Spediteur Stückgut geladen hat, befinden sich auf der Ladefläche noch folgende Gebinde: Flurwasserstoffsäure, Aceton, Hydrochloric, Salzsäure 31%, Natronlauge 32%, Natriumhxdroxid, sowie Euro-Leerpaletten. Diese sind für weitere Kunden bestimmt.

Während des Entladevorganges in der Rohbauabteilung beendet ein betriebseigener LKW seine Beladung in der Gartenbauabteilung und fährt in Richtung Halle 11-12. Dabei erleidet der Fahrer einen Schwächeanfall und bricht bewusstlos hinter dem Steuer zusammen, worauf der voll beladene LKW hinten auf den PKW auffährt und diesen unter den LKW des Spediteurs schiebt. Durch den  Aufprall wird der Fahrer der Spedition von der Ladefläche geschleudert und bleibt bewusstlos am Boden liegen. Der Gabelstaplerfahrer  hatte kurz vor dem Aufprall eine Palette Salzsäure angehoben, dieser wurde durch den Aufprall seitlich weggeschleudert, der Fahrer wurde vom Gabelstapler geschleudert und ist zwischen Stapler und Auflieger eingeklemmt. Er wurde von herunterfallenden Kanistern getroffen, wovon einige zerborsten sind. Ebenfalls ist dieser bewusstlos. Der Insasse des PKW`s ist massiv in seinem Fahrzeug eingeklemmt.

Durch den heftigen Aufprall sind mehrere Verpackungseinheiten beschädigt worden, wodurch sich mehrere Chemikalien vermischt haben, weiterhin ist die Ladung teilweise verschoben und von der Ladefläche gefallen. Ein 1000 Liter fassender ICB (Intermediate Bulk Container) ist leckgeschlagen. Die restlichen Mitarbeiter atmen die ätzenden Dämpfe ein und bleiben verletzt am Boden liegen, teilweise bewusstlos. Ein Mitarbeiter war gerade dabei einige Versandartikel mit einem Einschweißgerät versandfertig zu machen und atmet ebenfalls die giftigen Dämpfe ein und lässt dadurch den Butan-Brenner fallen, wodurch sich Verpackungsequipment und Kartonage entzündet. Eine auf der rückwärtigen Seite der Halle 11-12 befindliche Person bemerkt einen dumpfen Knall, begibt sich zum Schadensort und sieht nur den eingeklemmten Gabelstaplerfahrer. Er setzt den Notruf ab und begibt sich noch weiter an die Schadensstelle um die weitere Lage zu erkunden, dort bricht er beim Versuch seinen Kollegen zu helfen ebenfalls zusammen. Die Rauchentwicklung ist noch nicht wahrnehmbar. Insgesamt sind 15 Personen verletzt, dieses ist jedoch nicht ersichtlich. Eine Notfalldarstellungsgruppe des DRK sorgt für real simulierte Verletzungen und entsprechende Umstände zu den Verletzungen.

Erste Alarmierung:

Aufgrund der Schilderung des Anrufers alarmiert die Kooperative Regionalleitstelle Ostfriesland wie folgt: Ortfeuerwehr Ostgroßefehn, Stützpunktfeuerwehr Holtrop, den Einsatzleitwagen (ELW) der Feuerwehr Akelsbarg, sowie den Rüstwagen 2 (RW2) der Feuerwehr Wiesmoor.

Alarmzeit: 8:51 Uhr

Alarmtext: Verkehrsunfall  – Eingeklemmte Person – Betriebsgelände Gabelstapler mit LKW kollidiert- 1 Person klemmt.

Nach Erkundung durch den Gruppenführer der ersteintreffenden Wehr (Freiwillige Feuerwehr Ostgroßefehn) wird eine erste Lage der unübersichtlichen Einsatzstelle an die Kooperative Regionalleitstelle Ostfriesland übermittelt. Diese Lageeinschätzung führt zwangsläufig zur Alarmierung weiterer Kräfte.

Lagemeldung: Technische Hilfeleistung Gefahrgut, Menschenleben in Gefahr, Technische Hilfeleistung eingeklemmte Person auf Betriebsgelände, Betriebsgebäude brennt, Menschenleben in Gefahr, Massenanfall von Verletzten (MANV 20), Auslaufende Gefahrstoffe nach Verkehrsunfall. Starke Rauchentwicklung in Halle 11-12, mehrere Personen vermisst.

Aus der Gemeinde Großefehn wird nachalarmiert:

Feuerwehr Akelsbarg-Felde-Wrisse, Feuerwehr Aurich-Oldendorf, Feuerwehr Spetzerfehn, Feuerwehr Strackholt (Atemschutznotfallgruppe), Feuerwehr West-Mitte Großefehn.

Im späteren Einsatzverlauf wird die Feuerwehr Bagband und die Feuerwehr Timmel hinzualarmiert.

Überörtlich wird alarmiert:

Feuerwehr Middels Einsatzleitwagen 2 (ELW2)

Feuerwehr Wiesmoor mit dem Tanklöschfahrzeug 4000 und der Drehleiter.

Kreisfeuerwehr Pressesprecher.

DRK Aurich Schnell-Einsatz-Gruppe

Organisatorischer-Leiter Rettungsdienst des Landkreis Aurich mit Leitendem Notarzt (LNA) & Rettungsdienst des Landkreises.

ABC-Zug des Landkreises Aurich mit den Einheiten:

Feuerwehr Sandhorst (ELW,GWG,RW,GW-Mess, GW-Logistik)

Feuerwehr Osterhusen (DEKON-P,ELW,ABC-Erkunder, DEKON-P2)

Somit sind rund 250 Einsatzkräfte mit 30 Einsatzfahrzeugen an der Übung beteiligt.

Die Einsatzkräfte sperren den Gefahrgutunfall weiträumig ab und beginnen mit der Rettung der Personen, die für sie gefahrlos erreicht werden können. Eine Erstversorgung durch die Einsatzkräfte erfolgt ebenfalls. Außerdem wird eine Brandabsicherung vorgenommen.

Der Einsatzleiter trifft ein und teilt nach einer raschen Informationssammlung die Einsatzstelle sofort in sechs Abschnitte ein.

Einsatzabschnitt 1: Bereitstellungsraum

Einsatzabschnitt 2: Menschenrettung, Brandbekämpfung, Gefahrenabwehr Umwelt

Einsatzabschnitt 3: Wasserförderung

Einsatzabschnitt 4: Verletztenablage

Einsatzabschnitt 5: Atemschutznotfallgruppe

Einsatzabschnitt 6: Einsatzleitung

Als weitere Herausforderung oblag es den Einsatzkräften, einen simulierten Brand in einer großen Lagerhalle zu bekämpfen. Im Innern dieses Gebäudes wurden daneben zahlreiche Personen vermisst, deren Rettung höchste Priorität hatte.

Mehrere mit Atemschutzgeräten und C-Rohren ausgerüstete Trupps gingen unverzüglich in die verrauchte Halle vor und begannen mit der Menschenrettung sowie der Brandbekämpfung. Parallel wurde der Außenangriff mit zwei Wasserwerfern und dem Wenderohr der ebenfalls eingesetzten Drehleiter eingeleitet.

Binnen kürzester Zeit konnten die ersten vermissten Personen aus dem Gebäude gerettet und den rettungsdienstlichen Kräften übergeben werden. Aufwendig gestaltet wurden die Suchmaßnahmen durch große Regalanlagen und gelagerte Gegenstände. Die große Zahl der zu findenden Menschen erforderte überdies einen hohen Personaleinsatz, sodass viele Trupps verschiedener Wehren mit der umfangreichen Suche befasst waren und teilweise parallel in das Gebäude vorgingen.

Ein im Rahmen der Rettungsmaßnahmen aus Übungszwecken verunfallter Atemschutzgeräteträger gab den Einsatzkräften die Möglichkeit, die für diesen Fall festgelegten Maßnahmen und Ablaufmechanismen zu üben.

Über 2000 Meter Schlauch wurden verlegt, um eine dauerhafte Wasserabgabe an der Einsatzstelle zu gewähren. Bis zum Zeitpunkt der Fertigstellung, wurden die eingesetzten Rohre von den wasserführenden Fahrzeugen gespeist.

Der Gefahrgutzug rüstete sich an der Einsatzstelle mit Chemikalien-Schutzanzügen aus und ging zur weiteren Personenrettung in dem mit chemischen Substanzen kontaminierten Bereich vor. Weiterhin dichteten sie leckgeschlagene Tanks ab. Auslaufende Flüssigkeiten wurden aufgefangen. (Alle Flüssigkeiten wurden mit Wasser simuliert) Messungen der Luft erfolgten, um eine Gefahr für die Einsatzkräfte und der Bevölkerung auszuschließen.

Besondere Herausforderung war die Rettung einer eingeklemmten Person in einem PKW zwischen zwei LKW´s, da hier in den steifen Chemikalienschutzanzügen (CSA) mit hydraulischen Rettungsgerät vorgegangen werden musste.

Zur Dekontamination der Einsatzkräfte und der verunfallten Personen, wurden von den Einsatzkräften des Gefahrgutzuges Duschzelte aufgestellt.

Die Schnelleinsatzgruppe Sanitätsdienst des DRK Aurich, sowie der Rettungsdienst des Landkreises Aurich mit Organisatorische Leiter Rettungsdienst und Leitendem Notarzt, legten einen Verletztenablageplatz an. Die Verletzten wurden in Kategorien eingestuft und erhielten eine entsprechende medizinische Erstversorgung Vom Verletztenablageplatz wurden die Verunfallten in ein Behandlungszelt transferiert. Ein Transport in die umliegenden Kliniken erfolgte lediglich imaginär.

Die Einsatzleitung fand ihren Platz anfänglich am Einsatzleitwagen 1 der Gemeindefeuerwehr Großefehn und später dann im Einsatzleitwagen 2 des Landkreises Aurich, der mit dem Einsatzleitwagen 1 gekoppelt wurde. So konnten alle bislang erhobenen Daten digital weitergeführt werden. Der Einsatzleitwagen 2 verfügt unter anderem über einen Besprechungsraum, in dem sich der Einsatzleiter und die Führungskräfte austauschen konnten und weitere Taktiken festgelegt wurden. Am Einsatzleitwagen laufen alle Informationen zusammen.

Zur Betreuung der Medien wurde eine Pressestelle eingerichtet in unmittelbarer Nähe der Einsatzleitung, um einen direkten Austausch zu gewähren zwischen Pressesprecher und Einsatzleitung. Die Pressestelle gab in regelmäßigen Abständen Informationen an die Medienvertreter. Die Informationszeiten wurden durch eine Uhr an der Pressestelle angezeigt.

Das Technische Hilfswerk (THW) Aurich wurde mit ihrer Küche betraut, Verpflegung der Einsatzkräfte sicherzustellen. Es wurde durch das THW Aurich Getränke an die Einsatzstelle gebracht und dort verteilt. Außerdem wurde eine Gulaschsuppe mit Brot im Anschluss an das Szenario durch das THW an die Einsatzkräfte ausgegeben.

Für den Übungsverlauf sind 15 Beobachter aus den Feuerwehren der Gemeinde Großefehn, Südbrookmerland, dem Landkreis Leer und Wittmund (u.a. die beiden Kreisbrandmeister der Kreise Leer und Wittmund) hinzugekommen, die im Anschluss den Verlauf spiegelten, um einen guten Lernerfolg zu erzielen. Eine detaillierte Nachbesprechung folgt zeitnah mit allen Beobachtern und Führungskräften.

Die Planungen für die geheime Übung liefen bereits seit Januar 2019 durch ein kleines Team von fünf Personen. Dieses Team richtete auch am Vorabend der Übung sowie am frühen Morgen das Szenario her.

Der Übungseinsatz war nach drei Stunden beendet. Entgegen der geschätzten Zeit von fünf Stunden. Dieses wies auf einen sehr guten Verlauf der Übung hin. Gemeindebrandmeister Mario Linemann lobte die Führungskräfte in der Nachbesprechung für ihre hervorragende Arbeit in diesem komplexen Einsatzszenario, dass in der Gemeinde Großefehn in einer solchen Größenordnung noch nie stattgefunden hat.

Auch der Brandabschnittsleiter Enno Menssen war begeistert über das hergestellte Szenario und die Abarbeitung dieser „Großschadenslage“.

Leitender Notarzt Detlev Schmitz berichtete, dass es genau wie im realen Einsatz verlief. Zunächst unübersichtlich und dann rasch mit einer übersichtlichen Struktur. Er bewertete das Einsatzszenario und die Abläufe ebenfalls positiv.

Lienemann bedankte sich bei allen Teilnehmenden in einer großen Runde und sagt, dass er hoffe, in einem realen Fall niemals so zusammenkommen zu müssen, er sich dann jedoch auf alle verlassen könne.

Bürgermeister Olaf Meinen, der sich ein Bild über das ganze Einsatzgeschehen vor Ort machte, zeigte sich begeistert. Seine Worte: „Mit welcher Professionalität alle Kameradinnen und Kameraden die Sache gemeistert haben, ist begeisternd. Auf euch ist Verlass!“.

Ein großer Dank geht an die Firma Trauco und die Firma Nowebau für die Bereitstellung des Firmengeländes und der Kostenübernahme für die Verpflegung der Einsatzkräfte. Ein weiterer Dank geht an die Firma EDEKA in Großefehn, die Getränke für die Beteiligten der Übung sponserten.

Einsatzübungen dienen der Festigung erlernter Inhalte und der Erprobung von Taktiken. Durch eine anschließende Reflektion können zukünftige Verbesserungen vorgenommen werden. Weiterhin dient die Reflektion auch der Bestätigung der Schlagkraft der Feuerwehren. Die Förderung der Zusammenarbeit unter den Feuerwehren steht ebenfalls nicht an letzter Stelle.

 

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